Hamburg, Herbst 2015. Täglich kommen neue Menschen an. Viele Hamburger*innen geben alles, um die Lage der Geflüchteten erträglicher zu gestalten. Selbstverwaltet werden seit Monaten Kleiderkammern, Spendenkonten, Deutschkurse, Hilfe bei Behördengängen, Ausflüge und vieles mehr organisiert. Die vielen Ehrenamtlichen helfen damit nicht nur den Neuankömmlingen, sondern auch der Verwaltung, deren Flüchtlingshilfe ohne diesen Einsatz schon längst kollabiert wäre. Doch anstatt an „die Politik“ zu appellieren sagen wir: Die Stadt sind wir alle! Deshalb gestalten wir selbst das Leben in der Stadt und entscheiden, dass hier offen und freundlich mit jedem umgegangen wird.
Während sich Tausende in der Hilfe für Flüchtende engagieren, wenden Senat und Wirtschaft viel Geld und Zeit für eine Olympiabewerbung auf. Bewegt man sich durch Hamburg, kann man die teure Werbekampagne für Olympische Spiele 2024 nicht übersehen. Jede S-Bahn und jeder Bus sind mit großen „Feuer und Flamme“-Aufklebern verziert, Plakatflächen zeigen fröhliche Leute, die sich auf „nachhaltige“ Spiele freuen, große Werbeveranstaltungen, bei denen die neusten Computervisualisierungen vorgestellt werden, werden organisiert. Zahlen von groben Planungsständen werden präsentiert, die – egal, ob realistisch oder nicht – in jedem Fall hoch sind. Der Bund zeigt bislang keine Neigung, die von Olaf Scholz geforderten Milliardenbeträge zu zahlen.
Es gibt zurzeit tiefgreifendere Probleme in der Welt als die Austragung einer größenwahnsinnigen Sportveranstaltung, deren einzige Gewinner ein mit großer Wahrscheinlichkeit korruptes Komitee, eine Handvoll Konzerne und ein paar Immobilienbesitzer sind. Alleine mit dem Aufwand und dem Geld der Bewerbung müsste in Hamburg niemand mehr in Zelten oder unter Brücken schlafen!
Olympia steht überall für immense Mietsteigerungen, hier in Hamburg nicht zuletzt in Wilhelmsburg oder auf der Veddel. Gerade mit Blick auf die vielen neuen Menschen, die unsere Stadt bereichern, brauchen wir bunte und sozialverträgliche Stadtteile statt einer zweiten Hafencity. Olympia steht auch für Gefahrengebiete rund um die Sportstätten und erhöhte Präsenz von Sicherheitskräften – möglicherweise auch der Bundeswehr – in der Stadt. Gerade für Menschen ohne Papiere wird das zu einem riesigen Hindernis und einer weiteren Einschränkung der Mobilität.
Die Überforderung der Stadt und ihrer Behörden mit der aktuellen Situation ist auch die Folge einer seit Jahrzehnten betriebenen Politik der Privatisierung von Gewinnen und Vergesellschaftung der Defizite. Olympia würde genau dieses Prinzip intensivieren und tatsächlich weitgehend alternativlos machen.
Die sogenannte „Reformagenda 2020“, mit der in Hamburg begründet werden soll, dass hier alles anders sein soll, hat sich längst als Augenwischerei erwiesen. Substanziell haben sich weder das IOC noch seine Knebelverträge geändert. Sollte sich 2024 keine Stadt bereit finden, das Megaevent auszurichten, könnte vielleicht eine echte Veränderung angestoßen werden. Dass Sport tatsächlich einen tollen Beitrag leisten kann, wenn er nicht unter der Ägide des IOC und dem Gewicht von Milliardenumsätzen stattfindet, haben zum Beispiel die Refugee Football Games gezeigt. Für weitaus weniger als 200 Millionen im Jahr – die Hamburg künftig mindestens für Olympia aufwenden soll – ließe sich so erheblich mehr für internationale Verständigung und eine gemeinsame Welt erreichen als mit einem Gegeneinander von Nationen, wie es Olympische Spiele derzeit sind.
Wir stehen für eine Stadt, die ihre Kräfte und ihre Mittel nicht einsetzt um die zahlungskräftigen unter den Touristen anzulocken und große Wirtschaftskonzerne und die Top-Player der Handelskammer glücklich zu machen, sondern für alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Vermögensstand und Aufenthaltsstatus. Geht mit uns auf die Straße gegen größenwahnsinnige Projekte, von denen die meisten nichts haben – und für eine Stadt für alle!
Kommt alle zur Never Mind The Papers Demo am 14.11.2015 um 13 Uhr 30 Steintordamm/Hamburg Hauptbahnhof!